zensur-blog.de

31. März 2006

Kummer in Kummerfeld

Eine entmündigte Dame von 67 Jahren darf sich den Medien gegenüber wieder frei äußern. Der Witz aber ist, dass die Medien wiederum nicht über das berichten dürfen, was ihnen die Dame zu berichten weiß. Aber der Reihe nach: Pinneberg bei Hamburg ist beschaulich. Kummerfeld (ja der Ort heißt tatsächlich so) ist noch etwas beschaulicher. 2000 Einwohner. Ein Bürgermeister. Er bzw. seine Gemeinde kaufte das Grundstück der älteren Dame. Um diese Sache sollen sich nun Legenden spinnen.

Durch den Hausverkauf sollten angebliche Steuerschulden beglichen werden. Das hatte nicht die alte Dame entschieden, sondern ihre Betreuer. Denn per Gerichtsbeschluss sind seit zwei Jahren Betreuer für ihre finanziellen Angelegenheiten zuständig. Die "Pinneberger Zeitung" fing an zu recherchieren, doch Ihr Betreuer erwirkte vor Gericht einen gerichtlichen Maulkorb für die Dame. Für die Lokalpresse war damit klar: Die Berichterstattung soll untersagt werden. Das Hamburger Abendblatt berichtet auch darüber. Das Ergebnis: Schwarze Balken, wo eigentlich Namen und Fakten stehen sollten. Das Ganze unterstützt von einem "Staranwalt", der normalerweise in der "taz" für Medienfreiheit kämpfen soll. Jetzt ist weiter Bewegung in die Sache gekommen: Ein Teilerfolg für die alte Dame, deren Haus gegen ihren Willen von ihren gerichtlich bestellten Betreuern verkauft worden war: Das zuständige Vormundschaftsgericht stellte in einem Beschluß klar, daß die Betroffene "nicht gehindert (ist), sich an die Presse zu wenden und ihr Schicksal aus ihrer Sicht mitzuteilen" Ach und die Medien dürfen auch weiterhin nur "alte Dame" schreiben. Der Blog des Zensurmuseums gibt ihr jetzt einen Namen: Thea Schädlich heißt die Frau. Ach ja die FDP verschiebt jetzt sogar noch ihre angekündigte Kundgebung.

Die Urlaubszeit beginnt

Er wird als brutalster Horrorstreifen angekündigt: Hostel. Der Inhalt des Films ist schnell erzählt (wie bei vielen Filmen dieser Art): Amerikansiche Touristen in jungen Jahren reisen nach Europa um ein wenig Urlaub zu machen. In der kleinen Slowakei angekommen erleben sie den großen Horror.

So weit so gut. Mittlerweile sind unsere Moralbehörden wirklich zu bedauern. Was sollte bei einem Film, in dem angeblich 600 Liter Blut fließen und Kinobesucher bereits bei Filmvorführungen ohnmächtig wurden, eigentlich noch übrig bleiben, nachdem die Zensurschere angesetzt wurde? Ist ja eigentlich auch eine schlaue Taktik der Produzenten. Packe soviel Ekel und Brutalität in einen Film, dass selbst noch die zensierte Version als "Wahnsinn" oder "Der bultigste Megaschocker aller Zeiten" zu bezeichnen ist.

Regisseur und Drehbuchautor Eli Roth hat die Idee zur Geschichte laut Presseheft von einer thailändischen Website, die angeblich einer Vereinigung gehört, bei der sich Menschen für viel Geld umbringen lassen können. Mr. Johnny Depp hat das in seiner ersten Regiearbeit ("The Brave") ja auch behandelt. Vielleicht gibt´s ja in Deutschland ein Wettbüro, bei denen man auf "geschnitten" oder "ungeschnitten" setzen kann, wenn der Film in Deutschland im April Uraufführung hat. Arme FSK, arme BPjM, arme Justiz...

22. März 2006

eBay zieht den Schwanz ein

Eigentlich ist es nichts Neues und wir könnten täglich über gelöschte Angebote bei eBay berichten. Dieser Fall ist es wert, etwas genauer anzuschauen, da er auf dem ersten Blick nicht ganz so eindeutig gegen die Regeln von eBay verstösst. Oder etwa doch?

Sexyfilms.de - eine Art Videothek im Internet - wollte eine Rolle in einem "Erotikfilm" versteigern. Das ganze sogar mit Superstar Vivian Schmitt, die Gina Wild abgelöst hat, die Dolly Buster abgelöst hat... Nun Erotik ist ein recht dehnbarer Begriff. Nennen wir es lieber Pornofilm. Und Pornos dürfen nun mal nicht bei eBay angeboten werden. Moment! Es wurde je kein Film versteigert sondern nur ne Rolle in selbigen. Aber auch dagegen hat das Versteigerungs-Portal etwas. Begündet wurde das gegenüber den Leuten von Sexyfilms mit folgender eMail:

SIEHE UNTER SEXYBLOGGER.DE

Nun muß man sagen, dass in der Auktion nirgendwo erwähnt war, das der Gewinner auch tatsächlich ins Geschehen eingrifen darf. Scheinbar war es nur eine Statistenrolle ohne Hintergedanken. Doch eBay denkt sich wohl, wer eine Pornofilmrolle anbietet, meint automatische eine Einaldung zum Geschlechtsakt. Was lernen wir daraus? Nicht überall wo Sex drauf steht ist auch Porno drin.

20. März 2006

Der Bürgermeister wird kriminell

Es ist schon unangenehm, wenn man sich als Bösewicht in einem Kriminalroman wiederfindet. Ok, es ist sicher ehrabschneidend, wenn das Kind beim Namen genannt wird, doch wenn ein Autor eines Krimis geschickt die Machenschaften eines realen Politikers ohne ihn genau zu benennen in sein Werk einarbeitet, dann sollte man der ganzen Sache doch den Freifahrtsschein geben. Nicht so der Düsseldorfer Oberbürgermeister. Er wurde jüngst in eine Krimi-Erzählung mit realem Hintergrund "eingebaut". Wahre Begebenheiten beim Bau und Betrieb der neuen LTU-Arena in Düsseldorf gaben den Anstoß zu einer Farce mit schwarzhumoriger Pointe.

Als "Akt von Zensur" haben Deutschlands Krimiautoren dann auch gleich am Freitag die von der Stadt Düsseldorf veranlasste Absage der Lesung der erwähnten Kriminalgeschichte in der dortigen Stadtbücherei kritisiert. Die fiktive Krimi-Story enthält demnach kritische Anspielungen auf den Düsseldorfer Oberbürgermeister Joachim Erwin (CDU). Dessen Kunstverständnis werde deutlich, wenn er die Geschichte des mehrfach preisgekrönten Autors Horst Eckert "öffentlich als ,parasitäres Geschreibsel´ bezeichnet", erklärte ein Sprecher des Syndikats, der Vereinigung deutschsprachiger Krimiautoren. Ein Sprecher der Stadt bestätigte, bei der Stadtbücherei dafür gesorgt zu haben, dass die Lesung abgesetzt wurde. Der Krimi-Autor und Glauser-Preisträger Horst Eckert hatte am 30. März dort aus seinem neuen Werk lesen wollen. Der 46-jährige Autor will jetzt damit auf die Bühne eines privaten Kabaretts in Düsseldorf ausweichen. In dem Fußballkrimi "Wege zum Ruhm" steckt der fiktive Oberbürgermeister Kroll wegen Machenschaften um eine neue Sportarena in der Klemme. Es kommt schließlich zu einer blutigen Eskalation. Das reale Oberhaupt der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt war wegen der neuen, millionenteuren und defizitären Düsseldorfer Sportarena massiv unter Beschuss geraten.

17. März 2006

Einfach nur vergessen?

Momentan wird überlegt, den amerikanischen Horror-Streifen "Night Life" (USA 1988) als Exponat in das Zensurmuseum aufzunehmen. Dafür wird er in eine Short-List aufgenommen, in der alle potentiellen Neuzugänge bearbeitet werden. Es werden alle relevanten Informationen zusammengetragen und später wird entschieden, ob er sämtliche Anforderungen, die ein Museumsstück erfüllen muß, erfüllen kann.

"Night Life" ist vom AG Bochum seit dem 28.11.1990 (Az.: 29 Cs/39 Js 1050/89) offiziell als beschlagnahmd und somit als verboten deklariert wurden.
Um was es im Streifen geht könnten Sie hier oder auch da erfahren. Es scheint wieder mal ein typischer Fall des Vergessens oder des Vergessen Wollens zu sein. Seit mehr als 15 Jahren darf die Sache nicht ans Tageslicht. Dabei könnten ein paar Schnitte die Bundesprüfstelle bzw. die Staatsanwaltschaft beruhigen und eine FSK 18 Version zum Vorschein bringen. Aber nein, das Werk ist immer noch unzugänglich. Manchmal kommt das Gefühl auf, die BPjM und eifrige Juristen haben gar kein Interesse, einmal Verbotenes irgendwann wieder zuzulassen. Bspw. wenn sich die Zeiten geändert haben, denn heute erscheinen Titel, mit FSK 16 Zulassung, die wesentlich "gefährlicher" wirken. Begründet wurde das Verbot von "Night Life" mit dem § 131 StGB, der die unmenschliche Gewaltdarstellung unter Strafe stellt. Sicher ist der Film gewaltdarstellend, aber sicher nicht in einem Ausmaß, der die Gewaltorgien in anderen Filmen übersteigt. Ergo: die Bequemlichkeit der Behörden, Fälle neu zu bewerten und die Menschen vor solchen Dingen dauerhaft zu schützen, ist weit verbreitet. Jetzt ist nur noch zu überlegen, ob das eine museumsrelevante Story zu diesem Exponat sein könnte.

14. März 2006

Saddam Hussein und der deutsche Rap

Zugegeben, diese Überschrift ist verwirrend. Soll sie auch sein. Denn etwas irrsinig ist es auch, was Rapper Sido da so von sich gibt.

Wenn es um Zensur in Deutschland geht, sind unsere Moral- und Jugendschützer oft kleinlich. Sollten man sich darüber freuen? Könnte man, denn in Ländern wie China oder selbst Italien (die in Sachen Meinungsfreiheit statitsisch gesehen auf Platz 77 zwischen Bulgarien und der Mongolei hängen) hat man mit weitaus größeren Problemen zu kämpfen. Hier in Deutschland reicht offenbar schon ein folgenschwerer Satz in einem Rap-Song (
"Doch am Wochenende geht's erst richtig los! Pillen fressen, Nasen ziehn, Wodka saufen, prost!") um Medienbereichte über zensorische Attacken auszulösen.

Was war geschehen? Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien möchte den Song "Endlich Wochende" wegen oben zitierter Stelle vom Sido-Album "Maske" entfernen lassen, damit selbiges auch öffentlich beworben werden und Jugendlichen unter 18 Jahren frei zugänglich gemacht werden kann. Diese Ansicht der Prüfstelle bestätigte nun auch das Kölner Verwaltungsgericht. Sido findet das gar nicht so spaßig, er kündigte Berufung an. Des Rappers-Argument, der Song sei doch Ironie und als Anti-Drogen-Lied zu interpretieren, ließen die Richter scheinbar nicht gelten. Sido meinte verärgert zu MTV, dass die Verantwortlichen "alten Leute" früher selbst gerne die Ärzte hörten und es ätzend fanden, diese zu verbieten. Heute sagen die gleichen Leute, dass Hip Hop nun überhaupt nicht ginge.

Somit bleibt "Die Maske" wegen dieses Songs weiterhin auf dem Index und auch ein verbales Bemühen von Iraks Ex-Diktator Saddam, den Sido in sein MTV-Interview irgendwie eingeflochten hatte, hilft da wohl nicht weiter.

13. März 2006

Nur gute Fanplakate sind erlaubt

Eine kleine Randnotiz: Wer glaubt, er könne seinen Unmut über Klinsmann und seine Trainingstaktik kritisieren, wie er wolle, liegt falsch. Der einzige Weg für den gemeinen Fußball-Fan, seine Meinung an Jürgen Klinsmann heranzutragen, ist doch der, dass er im Stadion ein übergroßes Transparent auspannt, auf dem er in aller Kürze seine Botschaft darstellt. "Klinsmann bring den Wörns zurück oder du fliegst vom Platz" ist so etwas schon verboten? Vor dem Länderspiel gegen die USA am 22.3.06 in Dortmund jedenfalls sollte sich Klinsmann aber auch der kritische Fan warm anziehn. Klinsmann wird sicher von den Dortmunder Fans heftig kritisiert, da er Lokalmatador Wörns aus dem Kader gekickt hat. Den Fans wiederum wird verboten, allzu beleidigende Plakate auzuhängen. "Es ist bei allen Länderspielen üblich, dass Transparente mit beleidigendem Inhalt nicht erlaubt sind. Das ist auch für das Länderspiel in Dortmund die Linie", sagte DFB-Mediendirektor Harald Stenger auf Anfrage. Die Plakat-Zensur wird bereits im Internet in Fan-Foren diskutiert. Mal sehen, wer sich damit ein Eigentor schießt...