zensur-blog.de

24. November 2005

Zensur oder Dummheit?

Tja das ist schon recht verzwickt: Da hat ein deutscher Buchverlag einen Vertrag mit einem italienischen Buchschreiber gemacht und nun will der Verlag das Buch des Schriftstellers nicht mehr haben. Der Verlag meint, das Buch bzw. dessen inhaltliches Niveau bewege sich nicht in den Regionen, in denen man sich im Stande fühlt, ein Werk zu veröffentlichen. Der Autor wiederum richt hier Zensur in Deutschland. Die ganze Geschichte: Der Beck-Verlag, bekannt durch seine qualitativ hochwertigen Veröffentlichungen, bringt für den deutschen Markt die Schriftenreihe "Europa bauen" des italienischen Autors Luciano Canfora heraus. Bereits erschienen ist "Caesar. Der demokratische Diktator". Im Oktober sollte nun "Eine kurze Geschichte der Demokratie. Von den Athenern bis heute" in dieser Reihe erscheinen. Doch was darin teilweise zu lesen ist, viel der Anspruchsschere des Beck-Verlages zum Opfer. Insbesondere das Schönschreiben über Joseph Stalin und seine Verbrechen stelle das Buch nicht gerade in eine geschichtsrealitätsnahe Ecke. Auch die Bundesrepublik bekommt ihr Fett weg. Deutschland sei "ein Produkt des Kalten Krieges und geprägt vom ´unverhüllten Nazismus´, und ist heute ein ´wirtschaftlicher Koloss in der Mitte Europas´ so Canfora. Bei Beck hat man sich nun entschieden, dass betreffende Werk nicht zur Veröffentlichung zu bringen. Der Verlag selle sich aber nicht quer, das Buch bei einem anderen Verlag zu publizieren und gibt daher die Rechte an den Autor zurück. Von Zensur, so die Frankfurter Rundschau, sei hier (wie wohl im Gegensatz zur Auffassung der Frankfurter Allgemeinen) nicht zu sprechen. Wie die Sache aussieht, läuft es nun auf einen handfesten Rechtsstreit hinaus, wobei das Haus Beck nicht besonders gute Karten hat, sich von einer Veröffentlichung zu distanzieren. Wir werden sehen (oder lesen...).

23. November 2005

Tatort "Bild"-Zeitung

Das entstehen großer Firmenkonglomerate in der deutschen Medienlandschaft sollte eigentlich die Durchsetzungskraft der Meinungsfreiheit stärken. Könnte man annehmen. Das auch der gegenteilige Effekt auftreten kann, zeigt ein aktueller Vorfall in der ARD. Was war passiert? Am 13.11.05 war es wieder mal soweit: "Tatort"-Zeit im Ersten. Mehr als 7 Millionen Menschen sitzen vorm Fernseher und werden spannungsvoll unterhalten. Doch sie sehen nicht alles. Noch am selben Tag wurde auf Anordnung des Saarländischen Rundfunks eine vermeitlich heikle Sequenz aus dem Film geschnitten. Der an und für sich harmlose Plot der Tatort-Folge "Rache-Engel" wurde mit einer einminütigen Sex-im-Gewächshaus-Szene garniert. Was durch alle öffentlich-rechtlichen Prüfungsmühlen ging und für sendefähig eingestuft wurde, stieß bei einer Instanz auf völlige Ablehnung: nicht etwa bei der neuen konservativen Regierung oder eines kirchlichen Medienkritikerverbandes. Die "Bild"-Zeitung ereiferte sich in ihrem Sonntags-Ableger "Bild am Sonntag" über die ungewähnliche Brutalität der bevorstehenden Ausstrahlung. "Bild" selbst ist ja bekanntlich Bestandteil des Springer-Verlages, der bekanntlich in diesem Jahr einen Großeinkauf im Bereich Television getätigt hat. "Bild" hat nun also TV-Geschwister (Pro7, sat 1). ARD und ZDF sind demnach Wettbewerber dieser Springer-Familie, denken könnte man aber auch, sie seien Feinde. Dabei klingt es schon seltsam, wenn man nur die Verkettung der Beteiligten aufzählt: "Bild" (=Springer-Verlag = Sat 1 = Pro 7) rügt Brutalität und Sex im "Tatort" (= ARD = öffentlich-rechtlich). Es ist wirklich amüsant, dass genau diese Beteiligten für einen merkwürdigen Zensur-Fall stehen. Besonders auffallend dabei ist, dass nicht die Zensurmaßnahme selbst im Mittelpunkt der Diskussion steht, sondern vielmehr die bereits erwähnte Konstellation der Beteiligten. Gerade "Bild" zeigt ausführlich das, was ihrer Meinung nach nicht in einen "Tatort" gehört. Ein Schelm, wer an "Sensationslüsternheit" und "inhaltlichen Kaufsanreiz" beim Abdrucken der Sexbilder in "Bild am Sonntag" denkt. Aber wer will es ihnen verdenken, schließlich existiert "Bild" vom Bedienen eines vordergründigem Voyourismus seiner Leserschaft, sei es mit kleinen Nackedei-Bildchen oder durch aufwühlende Schlagzeilen ("Wie versaut darf ein Tatort sein?"). Und nicht nur, dass die Zeitung selbst von dem lebt, was sie anprangert, bekanntlich schreibt sieauch täglich allerlei Übertreibungen, Unsinnigkeiten, Unwahrheit und Halbwahrheiten (die Beweise werden hier dokumentiert). Natürlich darf sie das und ihre Geschwister Sat 1 und Pro7 auch. Nur eben nicht der Feind. Das geht dann doch zu weit.

9. November 2005

Kassensturz

"Auf meiner Mailbox fand ich um acht Uhr zwölf zunächst nur irgendwelche Wortfetzen vor. Eine Minute später ein zweiter Anruf. Der ging auch auf die Mailbox. Da stellt sich ein Beamter namentlich vor. Sagt, er sei vom Landeskriminalamt Brandenburg, stünde in meinem Garten zusammen mit Kollegen des BKA und des LKA mit einem Staatsanwalt, und man habe einen Hausdurchsuchungsbeschluss vorliegen und wolle jetzt mein Haus durchsuchen. Ich möge freundlicherweise zurückrufen". Wer mehr erfahren möchte, wie es Bruno Schirra in der mittlerweile berüchtigten "Cicero-Affäre" erging, folgt bitte diesem Link und darf sich über einen durchaus informativen Kassensturz der Pressefreiheit in Deutschland freuen...

8. November 2005

Hinweise statt Zensur

Der Internetanbieter AOL wird zukünftig in Kooperation mit dem Jüdischen Museum in Berlin ein neues Projket starten, das statt Internetseiten zu zensieren oder zu blockieren, dem User vor dem Besuch einer Website einen Hinweis zukommen lässt, ob und in wie weit die gewünschte Seite rechtextreme Inhalte anbietet. Wer bspw. Suchbegriffe wie Reichskristallnacht oder Synagoge eingibt, erhält kurze Informationen über die Inhalte der gefundenen Seiten. Jeder Nutzer kann dann selbst entscheiden, ob er die Website betreten möchte oder nicht. Ein interssanter Ansatz, empfiehlt statt zensiert doch hier erstmalig ein Anbieter Internetangebote, statt den User zu bevormunden. Wie das Projekt ankommt und ob es Nachahmer findet wird sich zeigen.

7. November 2005

Sophies (Unter)welt

Die Aufgabe der Schule ist es zu zensieren. Könnten Schüler ihrer eigenen Schule eine Zensur verpassen, müssten die Schüler an Hamburger Privatschulen Ihren Lehranstalten die Note "Mangelhaft" zuweisen. Zumindest in Punkto Pressefreiheit und insbesondere dem katholischen Sophie-Barat-Gymnasium am Rothenbaum in Hamburg. Bereits Anfang des Jahres gab es Zoff um Sophie. Schüler am Sophie-Barat-Gymnasium wollten die permanenten Eingriffe in die Arbeit ihrer Schülerzeitungsredaktion umgehen und riefen kurzerhand ein neues Zentralorgan ins Leben. Treffend bezeichnet als "Sophies Unterwelt" knöpfte sich das Blatt auch unliebsame Themen vor. So berichtete man bspw. über Gewalt in der betreffenden Schule. Ein unakzeptabler Zustand für die Lehrkörper an diesem Gymnasium. Eine katholische Privatschule und Gewalttaten? Das passte irgendwie nicht zusammen und den verantwortlichen Schulleitern nicht in den Kram. Die Zeitung wurde verboten. Doch die gewitzten Schüler liesen sich nicht beeindrucken. Sie machten weiter und verkauften dihre Schülerpublikation außerhalb der Schule. Selbst Lehrer kauften sich Ausgaben und fand´s gar nicht so schlecht was da stand. Doch wie berichtet wurde, fanden sie nicht den Mut dies auch gegenüber der Schulleitung zu artikulieren. Selbst als die Zeitung mit dem 1. Preis in einem vom Bundespräsidenten gesegneten Schülerzeitungswettbewerb ausgezeichnet wurde, bekamen die Gymnasiumsleitung noch längst keine Weichen Knie. Das Verbot blieb bestehen. Anfang November urteilten die Rechtsexperten im Hamburger Schulausschuß "Die Pressefreiheit könne den freien Schulträgern nicht gesetzlich vorgeschrieben werden". An öffentlichen Schulen in der Hansestadt gibts die Zensur seit 14 Jahren nicht mehr. Eine Aufnahme der Pressefreiheit in das Schulgesetz sehen Vertreter freier Schulen jedoch nicht. So lernen wir von Kindesbeinen an mit der Zensur umzugehen. Schade.