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24. Oktober 2005

"Freie Politik" ist wieder frei

Gegen die Durchsuchungsaktion beim kurdischen Nachrichtblatt "Özgür Politika" ("Freie Presse") wirkt die Affäre "Cicero" geradezu wie ein kurzer Hausbesuch eines Streifenpolizisten. Am 3. September 2005 nahmen sich circa 300 Polizisten die Redaktionsräume von "Özgür Politika" vor. Begründet wurde die Beschlagnahmung diverser Unterlagen, technischer Geräte und Literatur mit der Behauptung, die kurdische Zeitung sei in die Anfang der 90er Jahre in Deutschland verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) integriert und somit ein Bestandteil einer verbotenen Vereinigung. Die Konsequenz des Innenministers: er verbot die Zeitung. Nicht nur die. Auch die Internetseit unter http://www.ozgurpolitika.org (siehe Bild links) ist abgeschaltet wurden. "Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig beschied ihm jetzt jedoch, daß er sich mit dem Verbot der in Frankfurt am Main erscheinenden türkischsprachigen Tageszeitung Özgür Politika vergaloppiert hat." weiß die "Junge Welt" über den Vorfall zu berichten. Die Gegenklage kurdischer Journalisten scheint nach Ansicht der Richter Aussicht auf Erfolg zu haben, weshalb von einer baldigen Wiederveröffentlichung der Zeitung ausgegangen werden kann. In der ersten Ausgabe nach dem Verbot wird man dann vielleicht auch etwas zum Vorfall von kurdischer Seite lesen können.

21. Oktober 2005

Bravo! BRAVO

Es gibt etwas zu feiern! Die BRAVO, das Zentralorgan ganzer Jugendgenerationen, wird im April 2006 ein halbes Jahrhundert alt. Grund genug für das Wilhelm-Fabry-Museum in Hilden bei Düsseldorf mit einer Ausstellung in den runden Geburtstag reinzufeiern. Wenn nun diese Tatsache Eingang in den Zensurblog findet, dann könnte man meinen, selbst die "BRAVO" wurde mal verboten oder irgendwie zensiert. Und in der Tat, auch das scheinbar unauffällige Teenager-Blatt wurde Gegenstand eines Indizierungsverfahrens. Wir schreiben das Jahr 1972. Eine Zeit, in der erste Softsexfilmchen liefen. Im Osten war man schon 11 Jahre hinter einer Mauer versteckt und konnte daher etwas freizügiger mit dem Thema Sexualität umgehen. Freizügiger heißt im übrigen nicht "kommerzialisierter", es heißt "ungezwungener". Aber zurück zu "BRAVO": Mit Beginn der 70er Jahre tauchte erstmalig Dr. Sommer im Heft auf. Er oder sie oder es (wer hinter dem Doktor steckt, weiß der lesende Teenager wohl nicht so genau), schlug sich auf die Seite der jungen Lesergemeinde und beriet selbige in typischen Liebesproblemen. Bald wurde das Team um Dr. Sommer so berühmt, wie die Stars selbst, über die "BRAVO" zu berichten wußte. Doch diese Berühmtheit hatte natürlich ihren Preis. Dr. Sommer widmete sich delikater Themen. 2 Jahre ging das halbwegs gut, bis 1972 die Eisen, die angepackt wurden, zu heiß wurden. Kurzerhand wurden zwei Ausgaben im Jahr 1972 indiziert, also für jugendgefährdend eingestuft und demnach nur eingeschränkt verkauft. Das es mit Dr. Sommer dennoch weiterging, wissen wir ja. Und noch ein Verbot: in der DDR wurde das Magazin ganz verboten. Ostdeutsche Teens lasen es dennoch bezahlten aber auch einen hohen Preis dafür. Diesmal sogar mit richtigem Geld.

19. Oktober 2005

Die Geschichte einer Geschichte

Erwin Strittmatter ist vielen ein Begriff. Vielen aber auch nicht. An ihm ist die kulturelle Mauer zwischen Ost und West erkennbar, wie an keinem zweiten seiner Art. Er gilt als einer der bedeutensten deutschen Schriftsteller nach 1945. Seine Werke wurden in 40 Sprachen übersetzt, jedoch wie er selbst feststellte, in eine nicht: "ins Westdeutsche". Das ist der Grund, warum ihn im Osten alle kennen und im Westen keiner. Dabei gehörte er nicht zu den Angepassten, zu den Mitläufern oder Kulturdiktatoren, die bewußt durch die künstlerische Ignoranz des Westen bestraft werden sollten. Nein, Strittmatter ist ein Unangepasster, ein Gegenläufer und ein Kulturdemokrat. Während der ersten Jahre nach dem Mauerbau geriet der bereits damals populäre Lyriker nicht das erste mal, jedoch besonders intensiv zwischen die Mühlräder der offiziellen Kulturpolitik der DDR. Sein Dorfroman "Ole Bienkopp" thematisierte die Stolpersteine, die Parteifunktionäre gerne auslegten um Eigeninitiativen zu behindern. Das Buch wurde zur Lektüre im Politbüro und dort kontrovers diskutiert. Fingierte Leserbriefe, die das Werk diskreditieren sollten, wurden von der SED initiert. Doch alles half nichts. Der Roman wurde, um im westlichen Sprachstil zu schreiben, ein Bestseller.

Ein zentrales Projekt im Gesamtwerk Strittmaters war der Dreiteiler "Der Wundertäter". Die Berliner Zeitung widmet diesem autobigrafischen Roman im Feuilleton der Mitwochausgabe einen interssanten Artikel. Die erste Ausgabe des "Wundertäters" erschien 1957, Band 2 erblickte 1973 das Licht der literarischen Welt. Am 3. und letzten Teil schrieb Strittmatter ganze 5 Jahre bis 1980. Was wohl ziemlich zwiespältig gewesen sein muß. Schließlich beschäftigte sich der Autor während des Schreibens kontinuierlich mit dem Gedanken, dass sein Werk am Ende gar nicht veröffentlicht wird, da es zu kritisch ist und nicht durch die staatliche Zensur kommt. Ein frustrierende Erfahrung muß das gewesen sein, denn im Gegensatz zu demokratischen Gepflogenheiten die insbesondere eine Nachzensur kennen, gelangten Werke in der DDR erst nach einer Vorprüfung in den Handel. Doch der "Wundertäter" erscheint. Mit persönlichem Einverständnis Erich Honeckers. Doch diese Geschichte einer Geschichte ist hier noch nicht zu Ende. Nach Erscheinen versuchten staatliche Stellen (sogar die Volksarmee), das Buch zu boykottieren in dem kritische Rezessionen erschien und gar Verkuafsbestände aufgekauft wurden, um die Verbreitung möglichst gering zu halten. Dennoch, auch diesmal wurde das Buch wie schon der "Ole Bienkopp" ein voller Erfolg. Ende der Geschichte.

18. Oktober 2005

Es kann jeden Tag passieren

Zwillinge sind irgendwie merkwürdig und faszinierend zugleich. Man kann sie nicht auseinander halten und keiner weiß, warum gerade diese beiden als Doppelpack das Licht der Welt erblickten. Aber ähnlich scheinen sich nicht nur Menschen zu sein, sondern auch Dinge, die um sie herum passieren. So ähnlich, das selbst Jahrzenhnte Altersunterschied zwischen beiden ihren Gemeinsamenkeiten nichts anhaben können. Besonders gern werden gesellschaftliche Ereignisse mit anderen verglichen, egal ob der Zeitpunkt ihres Geschehens weit auseinanderliegt oder nicht. Insbesondere, wenn etwas Epochales auf die Bühne tritt. Der jüngste Vorfall ereignete sich um das Magazin "Cicero". Als aufmerksame Beobachter berichteten wir bereits als eine der Ersten über die Geschehnisse. Mittlerweile sind wir im Stadium angekommen, das jedes Ereigniss dieser Art durchläuft: die Suche nach zwillingshaften Verwandten. Gibt es etwas, womit man so etwas Skandalöses wie den Fall "Cicero" überhaupt vergleichen kann? Ja natürlich jubeln manche etwas vorlaut. Und siehe da, ein alter Bekannter ist zur Stelle: die Affäre "Conrad Ahlers". Ist sie nun verblüffend, die Ähnlichkeit der Spiegelaffäre aus dem Jahr 1962 mit dem Fall "Cicero". Oder wird da etwas vermischt, was so nicht zusammenpasst? Wir fassen zunächst zusammen: In der letzten Zeit hat man das Gefühl, die Pressefreiheit in Deutschland müsste sofort unter Artenschutz gestellt werden, da ihre Existenz durch eine räuberische Staatlichkeit bedroht wird. Ausgelöst wurde die Angst vorm Untergang der Pressefreiheit durch eine Durchsuchungsaktion beim Politmagazin "Cicero", über die wir bereits mehrfach informierten. Die Tageszeitung Junge Welt, die bereits in der DDR als Jugend-Zeitung erschien, reiht sich nunmehr ebenfalls in die Reihe derer ein, die eine Verbindung dieses Vorfalles mit staatlichen Maßnahme im Jahr 1962 herstellen. In der Ausgabe 41/1962 berichtete Conrad Ahlers, der spätere Pressesprecher der sozialliberalen Koalition, im Nachrichtenmagazin Spiegel unter dem Titel »Bedingt abwehrbereit« über die NATO-Übung Fallex 62 und über die seiner Meinung nach schlechte Ausrüstung der Bundeswehr. Die linke Tageszeitung Junge Welt findet besonders pikant, das im Gegensatz zur üblichen Tradition, nun keine linken Medien verfolgt werden, sonder sich das ganze schon in Richtung konservativer Journalismus ausbreitet. Das Blatt merkt an: "So erklärte der Medienwissenschaftler Siegfried Weischenberg, es gebe zunehmende Versuche, die Pressefreiheit einzuschränken, indem Telefone von Journalisten überwacht und Redaktionsräume durchsucht würden. Der staatliche Druck auf Journalisten und Informanten werde größer. Laut einer Statistik des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) hat es zwischen 1987 bis 2000 insgesamt 150 Durchsuchungen von Zeitungen und Funkhäusern sowie Privatwohnungen von Journalisten gegeben. Bezeichnend ist übrigens: Keiner dieser 150 Journalisten wurde je wegen der ihm gemachten Vorwürfe verurteilt. Die Maßnahmen dienen also ersichtlich der Einschüchterung. DJV-Vorsitzender Michael Konken kritisierte im Hamburger Abendblatt am 4. Oktober 2005: »Die Hemmschwelle sinkt. Es kann jeden Tag in jeder Redaktion passieren.«"

14. Oktober 2005

Eine ziemliche Angeberei

Im September 2005 spukte ein Gespenst durch die Republik: der Untergang der Pressefreiheit. Ausgelöst wurde dieser Abgesang auf den Artikel 5 des Grundgesetzes durch die Vorfälle um das Magazin "Cicero" und einem seiner Mitarbeiter, Bruno Schirra. Wir berichteten ausführlich darüber. Doch nun wird die für scheintot erklärte Freiheit des Wortes wieder zu neuem Leben erweckt. Peter Philipp kommentiert bei der Deutschen Welle den Fall "Cicero"und sieht die ganze Geschichte weniger dramatisch. Der Redakteur Bruno Schirra hatte in einem Artikel im Magazin "Cicero" über den weltweit gesuchten Terroristen Abu Mussab al-Sarkawi geheimdienstliche Quellen zitiert. Staatsanwaltschaft und Polizei durchsuchten daraufhin die Redaktion und die Privatwohnung des Journalisten, schließlich ging es um den strafrechtlichen Vorwurf des Geheimnisverrates. Diese Aktion rief Empörung insbesondere auf journalistischer Seite hervor. Peter Philipp beleuchtet den Vorfall etwas anders. In seinem Kommentar mahnt er bereits in der Überschrift an " Auch Journalisten sind dem Gesetz verpflichtet". Seiner Meinung nach sabotiert der "Cicero"-Artikel durch das Verwenden von nachrichtendienstlichen Erkenntnissen, die der Geheimhaltung unterliegen, womöglich Fahndungsmaßnahmen und gefährden dadurch Menschenleben. Journalisten dürften laut Gesetz insbesonders aus frei zugänglichen Quellen schöpfen. Top-Secret Akten sei jedoch nicht zu diesen Quellen zu zählen: "Freiheit bedeutet nämlich auch Verpflichtung und Verantwortung. Denn absolute Freiheit wäre Chaos. In jedem Bereich. Auch dem der Medien. Hiermit soll dem investigativen Journalismus kein Grab geschaufelt werden, der sich immer wieder als Korrektiv der Politik erwiesen hat" kommentiert Philipp den "Cicero"-Fall. Er kommt schlußendlich zu der Überlegung, dass die Verwendung und Bennung der besagten Geheimunterlagen über den Top-Terroristen, dem Magazin "Cicero" für die eigene Profilierung dienlich war und man mit Geheimmaterial angeben wollte.

12. Oktober 2005

Böse Presse für guten Supermarkt

Erfolgsmeldungen sind etwas schönes. Schlechte Nachrichten mag keiner gerne hören. Das war schon Hiob bekannt, dessen Knechte ihm in biblischer Zeiten Berichte über bevorstehende Katastrophen überbrachten. Es kam auch schon vor, dass der Tod auf einen wartete, überbrachte man herrschenden Persönlichkeiten ein böse Neuigkeit. Um sein Leben muß heute in unseren Breiten bei der Übermittlung unliebsamer Informationen niemand mehr fürchten. Aber um seinen Job. So geschehen beim Lokalblatt "Badischen Neuesten Nachrichten". Als eine Redakteurin über schlechte Arbeitsbedingungen beim Supermarkt-Discounter Lidl berichtete, sah die Chefetage wohl auf Druck von Lidl rot. Kurzerhand wurde der Mitarbeiterin gekündigt. Eine Pressezensur aus wirtschaftlichen Interessen ist hier faktisch gegeben. Schließlich soll Lidl 1,5 Millionen Euro Jahresbudget an Anzeigenschaltung in die betreffende Tageszeitung investieren. Schlechte Nachrichten im redaktionellen Teil, die Lidl nicht gut aussehen lassen, passen nicht so recht in eine derartige Kooperation zwischen Anzeigenkunden und Zeitungsverlag. Übrigens: die Redakteurin hat nicht irgenwas über Lidl zusammengeschrieben. Sie war auf Einladung des Supermarktunternehmens vor Ort und lernte die Arbeitsbedingungen persönlich kennen.

11. Oktober 2005

Versteigerung gegen die Zensur

Seit nunmehr 10 Jahren beschert uns eBay unterhaltsame Einkaufserlebnisse. Nun unterstützt das Auktionsportal die Organisation "Reporter ohne Grenzen", die sich international für die Preissefreiheit einsetzt, mit Einwegkameras. Jetzt fragen wir uns natürlich: Rüstet ein Internetunternehmen weltweit Reporter mit billigen Einwegkameras aus, auf deren Bilder am Ende aufgrund der schlechten Qualität nichts zusehen ist? Ganz so schlimm ist es nicht. Aber was kann an Einwegkameras so interssant sein, das diese für viel Geld bei eBay versteigert werden? Die Antwort ist beruhigend: Das Teure daran sind die belichteten Filme darin. Über 40 Prominente wie der Moderator Ulrich Wickert, der Sänger Peter Maffay, Künstler Jim Avignon und die Choreografin Sasha Waltz haben auf den Auslöser gedrückt - zu Gunsten der Arbeit von Reporter ohne Grenzen. Was sie dabei abgelichtet haben, war ihnen freigestellt. Die Menschenrechtsorganisation will den Erlös der Benefizauktion einsetzen, "um gefährdete Journalisten aus der Schusslinie zu holen und gegen Zensur vorzugehen", sagte Dirk Sager vom Vorstand der Reporter ohne Grenzen. Höhepunkt von "Starfoto - Bilder für die Pressefreiheit" ist die Live-Auktion am 18. Oktober im Wintergarten-Varieté. 500 Gäste aus Kultur, Medien und Politik werden zu der Gala erwartet. Wer keine Karte mehr bekommt, kann aber auch online über Ebay mitsteigern.

6. Oktober 2005

Musik-Video nur für Erwachsene.

Es ist schon ein kleine Ewigkeit her, als die Teenager-Girls der russischen Popgruppe "tATu" die Öffentlichkeit mit einer kühl kalkulierten Marketingstrategie rund um Ihren Song "All the things she said" schockieren wollten. Und tatsächlich, die Rechnung ging auf. Der Song landete ganz oben in den Charts und um die beiden Mädels rankten sich damals gleich mehrfach Gerüchte. Doch nach ihrer Lesben-Lolita-Image-Attacke auf den weltweiten Musikmarkt wollte den Managern der junge Band nichts Neues einfallen, schließlich rufen die Fans regelmäßig nach Klatsch und Tratsch. Doch das Warten hat ein Ende. Die oben erwähnte kleine Ewigkeit seit ihren letzten Erfolgen haben die Plattenmacher dazu genutzt, die Zensur für sich zu entdecken. Denn wie kommt man schneller wieder zurück ins Gespräch, als mit einer Strategie, die von Beginn an mit Skandalen und zensorischen Eingriffen rechnet. Wir sollten also nicht überrascht sein, wenn nun das aktuelle Video zur aktuellen Single "All about us" der Schere zum Opfer fiel. Die platinblonde Julia spielt darin eine sexy Prostituierte, die nach einer heißen Liebesnacht ihren Lover eiskalt im Bett erschießt, als dieser plötzlich auf sie einprügelt. In den USA und hierzulande darf das Video nur in einer gekürzten Fassung öffentlich gezeigt werden. Die Empörung darüber hält sich in Grenzen: die verbotenen Szenen sind nach Ansicht vieler nicht so schlimm wie befürchtet und außerdem ist vielen die kühle Berechung klar, die hinter diesem scheinbar inszinierten Zensur-Skandal steckt. DAS UNZENSIERTE VIDEO HIER ANSEHEN!

Volkssport Google-Zensur?

Wenn man etwas über sich in der Zeitung liest, kann man diese nicht mehr rückängig machen, denn das Blatt ist gedruckt und an die Leser verteilt wurden, ob der Bericht nun positiv oder negativ ist. Im Internet ist das anders: Wer etwas unangenehmes über sich verbergen möchte, beauftragt einfach ein deutsches Gericht damit, Internetseiten vom Netz zu nehmen, die schlechte Dinge über einen verbreiten. Insbesondere "Google", die weltweit beliebteste Suchmaschine, entfernt mal mehr mal weniger freizügig diverse Internetseiten aus dem Suchergebnis. Meist passiert dies auf richterliche Anordnung, der ein entsprechendes Gerichtsverfahren vorangegangen ist. Sucht man bspw. bestimmte Zeitungsartikel, die im Netz veröffentlicht wurden und sich kritisch mit irgendwelchen Dingen beschäftigen, kann es durchaus einmal passieren, dass man folgende Meldung bei Google erhält: "Als Reaktion auf eine gesetzliche Forderung, die Google nach lokalem Recht gestellt wurde, haben wir 1 Seite(n) aus dieser Suchergebnisseite entfernt. Sie können die Beschwerde, die dieser Entfernung zugrunde liegt, unter ChillingEffects.org lesen." Beispielhaft sei hier der Fall "Firma Nutzwerk GmbH" gegen den "Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur e.V." genannt. Nutzwerk hatte dem FFII e.V. aus München gerichtlich unter anderem untersagen lassen, im Zusammenhang mit der Firma von "Zock und Nepp mit Softwarepatenten" zu reden. Außerdem erreichte Nutzwerk mehrere einstweilige Verfügungen gegen den FFII wegen falscher Tatsachenbehauptungen sowie Geldstrafen wegen nicht vorgenommener Änderungen an den Webseiten des FFII, die auf Grund der einstweiligen Verfügungen notwendig geworden wären. Wenn man bei Google nun die Begriffe "Nutzwerk", "Nepp" und "FFII" eingibt, erhält man die oben bereits zitierte Zensurmeldung. Diese Art der Unterschlagung von frei zugänglichen Information durch Suchdienste wird übrigens von diversen Unternehmen, Institutionen und Privatleuten gebraucht, unliebsame Informationen zu unterdrücken.

5. Oktober 2005

Preis für "Skandalkünstler"

Der international bekannte österreichische Aktionskünstler Hermann Nitsch erhält den diesjährigen Großen Staatspreis der Republik Österreich. Nitsch gilt als kontrovers. Seine Kunst polarisiert das Publikum seit Jahrzehnten. Bis in die Politik hinein. 1988 reiste der damalige Bundeskanzler Österreichs Franz Vranitzky persönlich zur Eröffnung einer großen Aktionismus-Ausstellung nach Kassel, um festzuhalten, dass es Aufgabe der Politik sei, die Kunst "vor Zensur und politischem Einfluss" zu schützen. Vier Jahre später weigerte sich jedoch der österreische Bundespräsident Thomas Klestil, die Eröffnung einer Nitsch-Retrospektive als Österreich-Beitrag für den Kunstpavillon der Expo 1992 in Sevilla zu besuchen. Den internationalen Durchbruch brachte 1966 eine Einladung für Nitsch, Günter Brus und Otto Mühl nach London zum "Destruction in Art Symposion". Die Aktion von Nitsch vor internationalem Publikum wurde von der Polizei abgebrochen - ein Vorfall, der legendär wurde und Nitsch international bekannt machte. Der mit 30.000 Euro dotierte Preis ist die höchstrangige Auszeichnung, die von der Republik Österreich einmal jährlich einem Künstler für hervorragende Leistungen verliehen wird.

Eine Distel, die nicht sticht.

Kabarett-Programme haben etwas gemeinsam: Sie treffen bevorzugt ins Mark gesellschaftspolitischer Gegebenheiten. Das trifft besonders dann zu, wenn die staatlichen Rahmenbedingugen eng geschnürt sind. So geschehen unter anderem in der DDR. Seit den 1960er Jahren wuchs in Ostdeutschland eine außergewöhnliche Stilblüte des Kabaretts heran: Die Distel. Am 2.10.05 ehrte das Berliner Polit-Ensemble seine im September dieses Jahres verstorbene Autorin Inge Ristock, die mit ihren für die damalige Zeit äußerst bissigen Texten für Unmut ja sogar für Aufführungsverbote sorgte. Selbst in Zeiten der Perestroika 1988 leisteten sich die Kulturverantwortlichen der DDR den Luxus, ein ganzes Kabarettprogramm der Distel zu untersagen. "Keine Mündigkeit vorschützen" musste aus dem Programm genommen werden. Dieser zensorische Akt wurde damals in der Bundesrepublik publiziert und machte Inge Ristock auch im Westen bekannt. Nach der Wende schuf Ristock bundesweit bekannte Fernsehhits wie "Salto postale" mit Wolfgang Stumpf.

4. Oktober 2005

Des Ministers letze Mission?

Was kommt nach Rot-Grün? Diese Frage stellt sich Otto Schily, Innenminister der amtierenden Bundesregierung, scheinbar noch nicht. Wie Harald Neuber bei Telepolis zu berichten weiß, beschäftigt sich der Minister stattdessen lieber mit einem seiner bevorzugten Themen: Einschränkungsmaßnahmen, seiner Meinung nach, zu indiskreter journalistischer Berichterstattung. Ausführlich wurde hier im Zensurblog und an anderer Stelle in den letzten Tagen über den Fall "Cicero" berichtet, der immer mehr mit dem Fall Spiegel/Strauß aus den 1960er Jahren verglichen wird. Damals, wie jüngst auch beim Monatsmagazin "Cicero", wurden auf Regierungsanweisungen Räume von Journalisten durchsucht. Schily selbst verteidigte dieses Vorgehen und kündigte weitere Schritte an, "die Gesetze des Staates durchzusetzen". Die Grenzen für freien, investigativen Journalismus zieht er dabei eng. Doch diese Vorgehensweise des ehmaligen Grünen-Mitgliedes und RAF-Anwalt ist nicht neu. Seit Beginn seiner Amtszeit und bereits davor, setzte sich Schily mit diverse Vorschläge und Maßnahmen (Stichwort "Lauschangriff") in Szene, um journalistische Arbeit einer gewissen Kontrolle zu unterziehen. Dabei macht er auch vor Ländergrenzen nicht halt: vor ein paar Tagen bat er schweizerische Behörden im Fall "Cicero" um Mithilfe. Heribert Prantl, Leiter des Ressorts Innenpolitik bei der Süddeutschen Zeitung, zeigte sich nach Schilys Ausfällen beunruhigt darüber, dass es keinen Aufschrei gegeben habe – wie 1962 etwa, als dieSpiegel-Redaktion unter ähnlichen Vorwänden wie im aktuellen Fall "Cicero" durchsucht wurde. Offenbar sei seither "der Rang der Pressefreiheit massiv geschwunden", so Prantl.

Dekadente Bücher

Der Berliner Verlag, Herausgeber der Berliner Zeitung, veranstaltet eine Ausstellung, die den ehemaligen staatlichen Verlag der DDR "Volk und Welt" thematisiert. Zu sehen gibt es diverse Exponate, die die wechselvolle Geschichte des 1947 gegründeten und 2001 geschlossenen Verlages dokumentieren. Es wird gezeigt, wie die Mitarbeiter des Verlages es schafften, trotz staatlicher Zensur "sowjetfeindliche" und "dekadente" Bücher herauszubringen. Erarbeitet wurde die Schau vom Eisenhüttenstädter Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR; für die wissenschaftliche Beratung zeichneten Simone Barck und Siegfried Lokatis verantwortlich. Eine Vernissage beginnt am Donnerstag, dem 29. September, ab 18.30 Uhr im Foyer des Berliner Verlags (Karl-Liebknecht-Straße 29). Einführung: Siegfried Lokatis. Die Ausstellung ist bis zum 3. November zu sehen, Mo-Fr 9-18 Uhr.